Der steinige Weg bis zum Gipfel: Unser Beitrag zum Digitalgipfel der Bundesregierung 2024
Im Oktober fand in Frankfurt der alljährliche Digitalgipfel des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr statt. Rund 1500 Teilnehmer:innen diskutierten an zwei Tagen in Panels, Workshops und Fishbowl-Formaten über die Zukunft im digitalen Raum. – Es gab spannende Impulse für Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und viele andere.
Als Open Search Foundation moderierten wir eine Paneldiskussion zum Thema „Suchmaschinen, Demokratie und digitale Souveränität: Wie KI und offene Daten die Internetsuche verändern“. Unsere Panelist:innen Daphne Auer (Common Grounds), Martin Potthast (University of Kassel), Christian Kroll (Ecosia), und Armand Zorn (Mitglied im Deutschen Bundestag) wurden zu aktuellen Problemen der bestehenden digitalen Such-Infrastrukturen, möglichen Entwicklungen und Lösungsansätzen befragt.
Von Bias, Abhängigkeiten und grundlegender Regulierung
Den Auftakt machte Daphne Auer mit einem Umriss der Kernproblematik in der Suche: Bias.
„Wenn ich etwas suche, habe ich eine Wissenslücke. Die möchte ich schließen und zwar am besten schnell. Die meisten von uns nutzen dafür im Alltag die ersten ein bis drei Suchergebnisse. Aber wie objektiv sind diese Ergebnisse? Warum sollte die richtige Antwort in den ersten drei Ergebnissen korrekt repräsentiert sein? Welchen Bias haben die Ergebnisse? Westlichen Bias? Kommerziellen Bias?“ – mit diesen Worten richtete sich die Informatikerin an das Publikum. Als konkretes Beispiel für die Relevanz vorsortierter Ergebnisse, führte sie die Ranking Positionen von Menschenrechtsaspekten im Zuge der Fußball WM 2022 in Quatar auf. Von Land zu Land erschien diese Thematik in den Suchmaschinen an verschiedenen Positionen. Ihre Schlussfolgerung: Ergebnisse in Suchmaschinen seien eher als Empfehlungssysteme und weniger als vollumfängliche Antworten zu verstehen.
Martin Potthast fokussierte sich mitunter auf die Wichtigkeit offener Daten, die für mehr Vielfalt und maßgeschneiderte Angebote im Such-Markt sorgen könnten und zudem als Basis für die Entwicklung europäischer Large Language Modelle dienen sollten. Der im OpenWebSearch.eu Forschungsprojekt entstehende Prototyp eines offenen Web Index – einer Art Katalogisierung von Webdaten – fungiere dabei als erster Schritt.
Die Abhängigkeit Europas von Amerikanischen Digitalgiganten brachte Christian Kroll in den Vordergrund. Er hypothetisierte: Sollte sich aufgrund von politischen Änderungen die USA dazu entscheiden, Europa von den Suchindizes der Anbieter Google und Bing abzuschneiden, so wäre Europa überspitzt gesagt wieder auf Bibliotheken und Telefonbücher angewiesen. Die fehlende digitale Souveränität habe vielerlei Auswirkungen auf Bereiche wie Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Armand Zorn betonte in dem Zuge die Wichtigkeit von Regulierungen wie es der Digital Markets Act und der Data Act aktuell in Europa vorsehen. Eine kluge Regulierung sei hierbei essentiell. Grundsätzlich ginge es um eine Balance von Möglichkeiten neuer Modelle im Markt auf Basis von Mindestanforderungen, die für Objektivität und Fairness im Suchmarkt sorgen sollten. Aber auch die Aufklärung von Nutzenden sei elementar wichtig und müsse schon in Schulen beginnen. Bewusste Nutzer:innen könnten die teils undurchsichtigen Einflüsse von Informationen besser einordnen und zielführend verwerten.
Personalisierung und Vielfalt im Einklang mit Standardanforderungen
Daphne Auers Wunsch für die Zukunft der Suche bezieht personalisierte Suchergebnisse, einen Blick über den eigene Filter-Tellerrand hinaus und den Schutz von persönlichen Daten durch Anonymisierung ein. Sie bekundete ihre Hoffnung auf „mehr Brücken, weniger Polarisierung“ durch mehr sichtbare Diversität bei der Teilhabe an digitalen Dialogen sowie durch Peer-Review ähnliche Verifizierungsansätze von Inhalten, die gewisse Perspektiven spiegeln.
Auch Martin Potthast schien das Herauszoomen aus der sogenannten Filter-Bubble ein Anliegen. Er sprach die Problematik der direkten Antwort an, die zumeist eine schnelle, aber wenig differenzierte Lösung auf Fragestellungen bietet. Insbesondere durch Werkzeuge wie KI-Chatbots werden die Filterklappen künftig mutmaßlich noch enger; insbesondere wenn keine Chat-Literacy besteht. Das heißt, wer nicht richtig zu fragen weiß, wird mit schnellen, aber wenig durchleuchteten Ergebnissen einen eingeschränkten Horizont haben.
Armand Zorn sprach im Gegenzug auch die Zersplitterung der Gesellschaft durch Confirmation Bias an. Personalisierte Suche als wichtiger Teil des digitalen Alltags, aber ohne Realitätsverlust. Die Gefahr sei es, dass sich Menschen ihre eigenen Wahrheiten stricken könnten. Hier gelte es, künftig so zu regulieren, dass eine gesunde Balance aus persönlicher Freiheit und objektiver Wahrheit gewahrt wird.
Die Diskussion kann über den Youtube Kanal des Bundesministeriums gestreamt werden (Start bei Zeitmarke: 5.31 Stunden):