Der Mensch im Mittelpunkt: Ein Wertekompass für die Internetsuche
Fair, transparent, vielfältig. So soll die Internetsuche der Zukunft aussehen. Deshalb setzt sich die Open Search Foundation für die Schaffung eines offenen Suchindex ein und startet das Projekt #ethicsinsearch. Gefördert durch die Stiftung Mercator, soll es die werteorientierten Grundlagen für die neue „Internet-Kartei“ liefern.
Die Projektergebnisse bilden die werteorientierte Grundlage für einen zukünftigen offenen europäischen Suchindex. Sie fließen in die Entwicklung eines Ethik-Instrumentariums für die Internetsuche, in Handlungsempfehlungen sowie direkt in die Arbeit an einem offenen Suchindex. Sie werden beeinflussen, wie wir zukünftig mit ethischen Fragen im Umfeld von Suchmaschinen umgehen und dienen zudem als Grundlage für die wichtige Aufklärungsarbeit in Richtung Öffentlichkeit.
Warum braucht die Internetsuche ethische Leitplanken?
Was passiert mit uns als Individuen und was mit uns als Gesellschaft, wenn eine einzige Suchmaschine unsere Orientierung im Netz bestimmt? Wenn sie mit verborgenen Algorithmen entscheidet, welche Suchergebnisse wir in welcher Rangfolge erhalten? Wenn sie bestimmt, wie unsere privaten Daten gespeichert und verwendet werden?
Ein Leben ohne Internetsuche ist heute kaum noch vorstellbar. Sie ist eine großartige Errungenschaft des Internetzeitalters. Aber: Für diese blitzschnelle Verfügbarkeit von Informationen zahlen wir aktuell einen hohen ethischen Preis. Dazu gehören potenzielle Überwachung und Tracking, Diskriminierung, algorithmische Verzerrungen oder mögliche Beeinflussung von Suchergebnissen und menschlichem Verhalten.
Maximale Marktmacht, minimale Kontrolle
Google ist mit Abstand die weltweit meistgenutzte Suchmaschine. In Europa laufen darüber aktuell über 93 Prozent aller Suchanfragen, danach folgen mit geringen Anteilen Bing, Ecosia und DuckDuckGo. Damit dominiert eine Suchmaschine die Art, wie und zu welchen Bedingungen wir im Internet suchen. Hinzu kommt, dass Google und sein Mutterkonzern Alphabet pausenlos viele und äußerst detaillierte Informationen über unser persönliches Onlinesuchverhalten horten. Diese Ansammlung von Macht und Daten in der Hand eines einzigen Konzerns in einem weitestgehend unregulierten Markt ist eine Gefahr für unsere demokratische Gesellschaft. Gleichzeitig ist die Internetsuche heute so fest in unseren Alltag, in unsere Arbeits- und Lebenswelt eingebettet, dass wir nicht mehr darauf verzichten können.
Was hat die Ethik damit zu tun?
Das Problem ist ein übergreifendes und muss als solches fachübergreifend gelöst werden. Da reicht es nicht, „nur“ den Markt zu regulieren oder „nur“ Gesetze zu schaffen oder „nur“ einen unabhängigen Suchindex zu entwickeln, wie es die Open Search Foundation fordert und fördert. – Wir brauchen alles zusammen und dazu eine solide ethische Basis, die auf demokratischen Werten fußt.
Zwar scheint der Vorsprung der Plattform-Monopole uneinholbar und ethische Werte sind bisher auf der Strecke geblieben. Jetzt, mit neuen Regulierungs-Plänen der EU, mit den Plänen der Open Search Foundation für einen offenen Suchindex, mit neuen Suchmaschinenkonzepten, die sich auf den Markt wagen, bietet sich jedoch die Chance, menschenzentrierte Werte in der Internetsuche zu verankern.
„Ethics by Design“ ist nötig – also ethische Standards von Anfang an, fest eingebettet und laufend überprüft. Dafür soll das Projekt #ethicsinsearch die ethischen Grundlagen liefern. Mit der #ethicsinsearch-Community schaffen wir einen Rahmen für die Erforschung und Diskussion ethischer Fragen im Bereich der Internetsuche.
Worum geht es bei #ethicsinsearch genau?
Gemeinsam mit Fachleuten und Forscher:innen aus Wissenschaft, Organisationen und Bürgergesellschaft wollen wir eine werteorientierte Vorgehensweise für die Internetsuche entwickeln. Wir wollen Fragen stellen, ethische Knackpunkte benennen, konkrete Lösungen erarbeiten und deren Umsetzung anstoßen.
Im Rahmen des Projekts wollen wir relevante ethische Fragestellungen identifizieren wie: Welche ethischen Werte sind für die Internetsuche von Bedeutung? Welche ethischen Fragen und Zielkonflikte lassen sich identifizieren? An welchen Schnittstellen kann, an welchen Stellen muss sich die Ethik in die Internetsuche einmischen? Welche ethischen Probleme können über Open-Search-Ansätze gelöst werden? Wer darf wie profitieren? Wem gehören die Daten? Wie bringen wir die Werte in den offenen Suchindex? Wo liegen die „No Go“s – also die nicht-verhandelbaren ethischen Prinzipien, die festlegen, was mit Suchmaschinen nicht gemacht werden darf?
Ja, aber … es gibt doch bereits so viele Initiativen, Forschungsgruppen, Kommissionen, Ethikräte, die sich mit digitaler Ethik befassen. Jetzt auch noch die Ethik der Internetsuche? – Richtig, das Thema digitale Ethik hat es erfreulicherweise auf die Agenden geschafft. Aber:
… Die Ethik der Internetsuche spielt dort in der Regel keine Rolle. Fast immer wird dabei vergessen, dass auch die Internetsuche algorithmenbasiert ist, und dort schon lange ungehindert und ungehemmt gegen viele europäische Grundwerte agiert wird. Dass demokratische Werte, die anderweitig aufwändig untersucht und propagiert werden, bei der Internetsuche mit Füßen getreten werden. Es ist also höchste Zeit, dass das Thema auf die Agenden der Ethik-Forscher:innen und Expert:innen kommt.
… Ethiker:innen sind in vielen Digitalkommissionen in der Minderheit. Stattdessen prägen häufig Vertreter aus Industrie und Lobbyisten diese Runden.* Wir sind sicher: Das kann eine divers zusammengesetzte #ethicsinsearch-Community besser.
Grundsätzlich gilt: Mit #ethicsinsearch wollen wir nicht zwangsläufig neue ethische Maßstäbe „erfinden“, sondern bestehende ethische Grundsätze für die Internetsuche übersetzen und auf sie anwenden. Es ist anzunehmen, dass die Ethik der Internetsuche stellenweise spezifische Fragestellungen und Antworten erfordert. Diese gilt es zu erforschen. Und dafür müssen spezifischen Lösungen gefunden werden.
*So bestand zum Beispiel die High-Level Expert Group on Artificial Intelligence (HLEG AI), die Expertengruppe, die die Ethikrichtlinien im Umgang mit Künstlicher Intelligenz für die EU erarbeitet hat, aus vier Ethikern und 48 Nicht-Ethikern. Von den Nicht-Ethikern waren die meisten Vertreter der Industrie.
Mit Ausgaben von 5,75 Millionen Euro pro Jahr für Lobbyarbeit ist US-Marktführer Google Lobby-Spitzenreiter in Brüssel, gefolgt von Facebook (5,5 Millionen) und Microsoft (5,25 Millionen).
„Aktuell zahlen wir einen hohen ethischen Preis für die Internetsuche. Werte wie Transparenz, Privatheit und Gerechtigkeit bleiben dabei auf der Strecke. Was wir brauchen, ist eine wertebasierte, verantwortungsbewusste Internetsuche.“
Christine Plote Co-Manager #ethicsinsearch und Gründungsmitglied Open Search Foundation e.V.
Identifizieren, diskutieren, implementieren: Ethics by Design als Chance, europäische Werte in der Internetsuche zu verankern.
Ziele und Bausteine von #ethicsinsearch
Wertekompass für die Internetsuche
- Ethisches Framework für die Internetsuche schaffen
- Ethics by Design gewährleisten bei der Entwicklung und dem Betrieb eines offenen Suchindex
#ethicsinsearch-Community und Advisory-Board
- Werteorientierte Vorgehensweise für die Internetsuche diskutieren, erforschen und entwickeln
- Laufende Beratung bei Entwicklung und Betrieb von offenem Suchindex, etwa bei der demokratischen Moderation von Inhalten
Öffentlichkeitsarbeit
- Diskurs in Politik, Wirtschaft, öffentlichen Institutionen, Schulen anstoßen
- Zum Beispiel mit #ethicsinsearch-Manifest, Wander-Vorlesungen, Webinaren, Code of Conduct für Organisationen und Unternehmen, Unterrichtseinheiten an Schulen, …
Ethische Qualitätsmaßstäbe für Suchmaschinen
- Die Verbreitung ethisch „guter“, vertrauenswürdiger Suchmaschinen fördern
- Zum Beispiel: Ethik-Assessments/Siegel für Suchmaschinen, CDR-Richtlinien für Unternehmen
Coming soon: Vortrags- und Vorlesungsreihe #ethicsinsearch
Über die nächsten Jahre organisieren wir eine Vortragsreihe rund um die Ethik der Internetsuche an europäischen Hochschulen. Eingeladen sind Professor:innen oder Nachwuchsforscher:innen, ganze Lehrstühle oder einzelne Personen. Außerdem Expert:innen aus Unternehmen, Organisationen und Politik. Datenethik, Digitalethik, …
Wir freuen uns auf anregende Vorträge und spannende Diskussionen. Alle Vorlesungen werden aufgezeichnet und in einem Portal zum Streamen zur Verfügung gestellt.
„Um demokratische Werte wie Informationsvielfalt und Meinungspluralismus zu wahren ist eine freie und unabhängige Navigation im digitalen Raum unerlässlich. Obwohl wir alle jeden Tag Suchmaschinen nutzen, steckt die Diskussion über die ethischen Fragen der Internetsuche noch in den Kinderschuhen.
Deshalb unterstützen wir die Arbeit der Open Search Foundation an wissenschaftlichen Analysen, technischen Lösungsansätzen und Richtlinien für mehr Offenheit und Vielfalt in der Internetsuche.“
Carla Hustedt Leiterin des Bereichs „Digitalisierte Gesellschaft“ der Stiftung Mercator.
Call for Experts
Werden Sie Teil der interdisziplinären, internationalen #ethicsinsearch Community!
Das Projekt lebt vom vielfältigen In- und Output aus den unterschiedlichsten Ecken der Ethik und darüber hinaus. Forschen und diskutieren Sie mit! Im Rahmen der Community wollen wir gemeinsam mit Fachleuten aus Wissenschaft, Unternehmen und Bürgergesellschaft an den ethischen Rahmenbedinungen für die Internetsuche arbeiten. Wichtige Aspekte dabei sind das Anstoßen von Forschungsprojekten rund um #ethicsinsearch, die Veröffentlichung von Fachbeiträgen und der Anstoß einer Diskussion in der Öffentlichkeit. Fachgebiete können zum Beispiel sein:
- Ethik inkl. Digital Ethics, Data Ethics, Ethik der KI …
- Philosophie/Soziologie (der Technologie)
- Digital Humanities, Humanistic Digital Innovations
- Theologie
- Pädagogik
- Corporate Digital Responsibility
- Technologiefolgenabschätzung
- Technologische Nachhaltigkeit
- Algorithmic Bias
- Digitale Daseinsvorsorge
- …
Sie möchten mehr wissen? Senden Sie uns einfach eine E-Mail an .
Das Projekt #ethicsinsearch – Ethik der Internetsuche der Open Search Foundation e.V. wird gefördert durch die Stiftung Mercator.