„Es gibt keine Suchdienste, die ich individuell anpassen kann“

Interview mit Dr. Megi Sharikadze, Forschungsmanagerin am Leibniz Rechenzentrum (LRZ), Mitglied der OSF-Fachgruppe Tech und Mitglied des Management-Teams von openwebsearch.eu.

Interview: Susanne Vieser

Wissenschaftsergebnisse, Ausschreibungen für Forschungsprojekte, Gesetze und politische Rahmenbedingungen rund um Bewerbungen: Beruflich und privat sucht Dr. Megi Sharikadze, Mitarbeiterin des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) in Garching bei München, ständig nach Neuigkeiten und Informationen. Das funktioniert online einfach und schnell – doch die Managerin und Wissenschaftlerin ist oft nicht zufrieden mit den Ergebnissen.

„Es gibt keine Suchdienste, die ich individuell an meine Bedürfnisse anpassen kann“, moniert Sharikadze. „Und als Nutzerin kann ich mir nicht sicher sein, ob die Auswahl der Suchergebnisse, die mir zur Verfügung gestellt werden, neutral erfolgte, dass also Auswahl und Ranking nicht durch kommerzielle Interessen und Partnerschaften beeinflusst werden.“ Um die Online-Suche nach Informationen zu verbessern, engagiert sich die Forschungsmanagerin seit Jahren bei der Open Search Foundation (OSF).

Mit ihren Mitstreiter:innen konzipierte sie das europäische Forschungsprojekt OpenWebSearch.EU, an dem die OSF und das LRZ beteiligt sind. So kann Megi Sharikadze nun persönliche mit beruflichen Interessen verbinden. Ein Interview über die Online-Suche und ihre Zukunft.

Wie sind Sie mit der Open Search Foundation in Kontakt gekommen?

Dr. Megi Sharikadze: Mein Open-Search-Weg begann im September 2018 mit der Teilnahme an der EnviroInfo-Konferenz, die am LRZ ausgerichtet wurde. Als Stefan Voigt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt oder DLR dort den Teilnehmer:innen die Idee und Grundlagen einer offenen, transparenten Suche vorstellte, merkte ich, dass mich das Thema interessiert. Ich bin auf ihn zugegangen, und seither hatten wir mehrere fruchtbare Diskussionen zur offenen Suche sowie Pläne und Vorgehen, diese zu realisieren. Schließlich trat ich der Open Search Foundation bei.

Warum engagieren Sie sich dort?

Sharikadze: Entscheidungen basieren auf einer Auswahl realisierbarer Lösungen, die wiederum auf der Beschaffung und Analyse von Informationen beruhen. Werden diese selektiv und nach unbekannten Kriterien gefiltert, basieren die Entscheidungen nicht auf einer vollständig objektiven Grundlage. Ich möchte gern rational entscheiden: also relevante Informationen sammeln, Alternativen aufzeigen, die Vor- und Nachteile abwägen und die beste Option auf Basis objektiver Kriterien auswählen können. Deshalb engagiere ich mich für die Initiative zur offenen Websuche.

Sie haben einen Master-Abschluss in Biologie und einen Doktortitel in Neurowissenschaften, jetzt arbeiten Sie als Koordinatorin von Forschungsprojekten am Leibniz-Rechenzentrum – wofür nutzen Sie die Online-Suche?

Sharikadze: Meine Karriere als Forscherin basiert auf einem Mix aus Biologie, Neurowissenschaften und experimenteller Psychologie und wird nun durch eine Tätigkeit im Wissenschaftsmanagement ergänzt. Ob als Forscherin oder Wissenschaftsmanagerin – ich bin immer auf der Suche nach wissenschaftlichen Veröffentlichungen, offiziellen und politischen Dokumenten, Ausschreibungen zu Forschungsprojekten und Anträgen, Hinweisen zu Finanzierungsmöglichkeiten. Früher habe ich in Fachzeitschriften und anderen Printmedien recherchiert, heute suche ich hauptsächlich online. Mein Suchraum ist nicht nur thematisch, sondern auch sprachlich vielfältig, und ich bin oft mit den Suchergebnissen nicht zufrieden. Ich wünsche mir also Verbesserungen und strebe diese auch an.

Was macht Sie unzufrieden und was macht eine bessere Suche aus?

Sharikadze: Ich bin sehr oft nicht glücklich mit den Ergebnissen, und das ist kein Wunder. Es gibt keine Suchdienste, die ich individuell an meine Bedürfnisse anpassen kann. Klar, diese sind nicht alltäglich, aber es wird sicher mehr Menschen wie mich geben, die von besseren, moderneren Suchdiensten und -Funktionen profitieren könnten. Mit Anpassungsmöglichkeiten und mehr Auswahl unter verschiedenen Services würde die Zufriedenheit bei der Internetsuche wachsen. Bei den derzeit verfügbaren Diensten erkenne ich diese Nutzerorientierung nicht. Die fehlende Konformität mit den europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist ein weiteres großes Problem. Als Nutzerin kann ich mir nicht sicher sein, dass die Auswahl der Suchergebnisse neutral erfolgt, dass also Auswahl und Ranking nicht durch kommerzielle Interessen und Partnerschaften beeinflusst werden. Daher nutze ich verschiedene Dienste und verlasse mich nicht auf einen Anbieter. Ich prüfe außerdem andere Seiten, die für meine Themen relevant sein könnten, und schaue, ob ich auf themenbezogenen Webseiten eine spezialisierte Ergebnisse finde. Die wichtigsten Webadressen und Links speichere ich auf meinem Computer und organisiere sie als Offline-Index in meinem persönlichen Wissensmanagementsystem.

Haben Sie weitere Anregungen für uns?

Sharikadze: Es ist ein Irrtum zu glauben, dass durch die Konzentration auf die Wünsche einer Standardkundschaft die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen befriedigt werden können. Es gibt viele Sonderwünsche. Bedürfnisse zu filtern, vereinfacht möglicherweise das Geschäft, lässt aber die Wünsche vieler Interessensgruppen offen und macht die Online-Suche zu einem Dienst, der nur auf wirtschaftlichen Interessen beruht. Mit den neuen, disruptiven Technologien der Künstlichen Intelligenz schreitet diese Entwicklung leider noch schneller voran. ChatGPT und andere Sprachmodelle verändern bereits die Websuche. Von heute auf morgen könnten unsere Suchstrategien überholt sein, befürchte ich, daher kann ich auch keine spezifischen Tipps dazu geben. Generell empfehle ich aber, sich nicht nur auf einen Anbieter von Suchdiensten zu verlassen. Und bei allen Diensten besonders auf die Cookie-Richtlinien achten. Wenn Sie sich um Objektivität bemühen, ist es riskant, sich nur auf Informationen eines Anbieters zu verlassen. Ihnen entgehen viele Fakten, wenn der „Suchergebnis-Transporter“ selektiv geladen ist.

Welcher Arbeitsgruppe haben Sie sich bei der Open Search Foundation angeschlossen und was wollen Sie dort erreichen?

Sharikadze: Ich bin in der Tech-Arbeitsgruppe, weil ich die Technologie hinter der Suche verstehen möchte. Ich bin aber keine Entwicklerin, sondern unterstütze die Open Search Foundation im Wissenschafts- und Projektmanagement und in der Koordination. Ich suche ständig nach Fördertöpfen und Finanzierungsmöglichkeiten, um die Ideen unserer Expert:innen in einem geförderten Projekt unterzubringen. Für die Open Search Foundation arbeite ich hauptsächlich als Forschungsmanagerin und unterstütze als zertifizierte EU-Referentin meine Mitstreiter:innen aus den Bereichen Technik, Recht, Wirtschaft, Bildung bei Anträgen und Bewerbungen für europäische und andere Verbundprojekte.

Inzwischen engagieren Sie sich auch für das europäische Projekt OpenWebSearch.EU: Was tun Sie dafür?

Sharikadze: Als Resultat gemeinsamer Anstrengungen wurden unsere Ideen im Projekt  OpenWebSearch.EU umgesetzt. Drei Jahre lang fördert die EU jetzt die Arbeiten an einem offenen Web-Index und einen nutzungs- und menschenzentrierten Suchmarkt. Bei OpenWebSearch.EU leite ich das Projektmanagement und das Koordinationsteam, kurz PMCO, und organisiere mit Michael Granitzer, Professor an der Universität Passau, sowie Dr. Stefan Voigt von der Open Search Foundation und vom DLR die notwendigen Forschungsarbeiten. Unter anderem beschäftige ich mich dabei mit Aspekten wie die internationale Zusammenarbeit, mit Nachhaltigkeit, Fragen guter Führung und mit der Entwicklung von Geschäftsmodellen.

Geht es voran?

Sharikadze: Wir sind alle happy zu beobachten, wie unsere Ideen zu einer offenen Suche nun in den europäischen Werte-Kanon integriert und übersetzt werden. Dafür ist das Projekt OpenWebSearch.EU und sein Erfolg enorm wichtig. Für eine optimale Ausführung sollen geplante Ziele und Vorgaben rechtzeitig erreicht werden, deshalb liegt unsere Aufmerksamkeit auf allen beteiligten Partner:innen. Das Arbeitspaket PMCO enthält auch die Planung von Ausschreibungen an externen Forschungsgruppen oder Unternehmen, dafür können wir 15 Prozent des Budgets ausgeben. Es geht voran: Die erste Runde der Bewerbungen ist abgeschlossen. Wir sind gerade dabei, die Vorschläge zu sichten, und freuen uns, weil wir spannende Ideen darunter finden.

Was erwarten Sie sich persönlich vom europäischen Webindex und von der offenen Suche oder welchen Suchdienst würden Sie sich wünschen?

Sharikadze: Europäische Teamarbeit soll zu europäischen Alternativlösungen innerhalb des offenen Suchmaschinenmarkt führen. Ein belastbares, vertrauenswürdiges und nachhaltiges Internet der nächsten Generation, das anwendungs-freundliche, rechtskonforme und werthaltige Speziallösungen für die Suche nach Informationen bietet, das ist mein persönlicher Wunsch.

Megi Sharikadze, Open Search Foundation, Leibniz Rechenzentrum, openwebsearch.eu

Dr Megi Sharikadze

Mitglied der Open Search Foundation
+ Fachgruppe Tech
Forschungsmanager am Leibniz Rechenzentrum
Lead PMCO of ows.eu